Ebbe und Flut

Das Phänomen
Mit genau berechenbarer Regelmäßigkeit steigt und fällt der Meeresspiegel an allen Küsten der Welt. Das Wasser steigt ca. 6,2 Std. an (auflaufendes Wassser), diesen Zeitraum nennen wir Flut. Nun wird der höchste Wasserstand erreicht, diesen Zeitpunkt nennen wir Hochwasser.
Anschließend läuft das Wasser wieder 6,2 Std. ab (ablaufendes Wasser), diesen Zeitraum nennen wir Ebbe. Wenn dann der niedrigste Wasserstand erreicht ist, sprechen wir vom Niedrigwasser.
Ebbe führt also zum Niedrigwasser, Flut zum Hochwasser!
Der Zeitabschnitt zwischen zwei Hochwasserständen (oder zwei Niedrigwasserständen) nennen wir Tide.
 
Ursachen
Ebbe und Flut entstehen auf der Erde durch ein kompliziertes Zusammenspiel von Himmelskörpern. Hier spielt der Mond mit seiner Anziehungskraft bedingt durch seine Nähe zur Erde eine große Rolle. (die eine Kraft)
Die andere Kraft, welche Ebbe und Flut entstehen lässt, ist die Zentrifugalkraft auf der mondabgewandten Seite. Auch spielt noch die Sonne mit ihrer Anziehungskraft eine Rolle. Im Verhältnis zum Mond aber ist ihre Anziehungskraft wegen der großen Entfernung zur Erde nur noch knapp halb so groß.
Für die Entstehung von Ebbe und Flut sind also zwei Kräfte verantwortlich, nämlich die Anziehungskraft und die Zentrifugalkraft.
Auch wenn es auf der Erde so aussieht, als würde der Mond um die Erde kreisen, ist es in Wirklichkeit so, dass Erde und Mond um einen gemeinsamen Massenschwerpunkt kreisen. Da die Masse der Erde ca. 80 mal so groß ist wie die des Mondes, befindet sich dieser Schwerpunkt noch im Inneren der Erde.
 
Der erste Flutberg
Auf der mondzugewandten Seite, an dem der Abstand zum Mond klein ist und somit die Anziehungskraft groß, entsteht auf der Erde durch die Anziehungskraft des Mondes ein Flutberg. Dieser Flutberg wird Zenitflut genannt.

Der zweite Flutberg
Auf der mondabgewandten Seite entsteht ein zweiter Flutberg. Das liegt daran, dass Erde und Mond sich - wie ein tanzendes Paar - um den gemeinsamen Massenschwerpunkt drehen. Dadurch wird das Wasser auf der mondabgewandten Seite der Erde durch die Zentrifugalkraft (Fliehkraft) nach außen gedrückt. Dieser Flutberg wird auch Nadirflut genannt. Aus den dazwischen liegenden Gebieten fließt das Wasser fort, dort ist dann Ebbe.

 

 

Die zeitliche Verschiebung der Gezeiten
Die Lage der Flutberge beziehungsweise der Ebbezonen richtet sich nach der Position des Mondes. Die Erdkugel selbst rotiert bei ihrer täglichen Drehung um die eigene Achse einmal in 24 Stunden. Das Wasser der Ozeane, die etwa 70% der Erdoberfläche bedecken, wird dadurch gezwungen, von der Ebbe- zu den Flutzonen zu strömen.

Der Mond läuft in der gleichen Richtung um die Erde, in der sich die Erde um die eigene Achse dreht. Der Mond rückt während seiner Erdumdrehung auf der Bahn um die Erde täglich ca. 1/28 weiter. Der Mond braucht also 28 Tage, um sich um die Erde zu drehen, von einem Vollmond zum nächsten Vollmond sind es 28 Tage.
Es dauert also 24 Stunden und 52 Minuten bis der gleiche Punkt auf der Erde wieder dem Mond zugewandt ist.
Ein Mondtag ist also ca. 50 Minuten länger als ein "Sonnentag".  Das ist der Grund für die zeitliche Verschiebung der Gezeiten.
 
Beispiel:
Heute Nachmittag ist in Norddeich um 15:00 Uhr Hochwasser, dann ist das nächste Hochwasser in der Nacht um 03:26 und am folgenden Tag um 15:52 Uhr! Also eine tägliche (in 24 Stunden) Verschiebung um 52 Minuten.
 
Aber Achtung, das ist ein rein rechnerischer Wert. Bedingt durch viele einflussnehmende Faktoren kommt es zu zeitlichen Abweichungen! Genaue Angaben zu den Hochwasserzeiten (und Niedrigwasserzeiten) finden Sie im Tidekalender, oder auf der Homepage des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie - www.bsh.de

(Bevor Sie eine Wattwanderung unternehmen, müssen sie sich unbedingt genau informieren!)
 
Springtide
Ein weiterer Faktor, der Ebbe und Flut beeinflusst, ist die Sonne. Dass sie trotz ihrer enormen Größe nur mit etwa der Hälfte der Anziehungskraft wie der Mond beteiligt ist, liegt daran, dass sie wesentlich weiter von der Erde entfernt ist.

Stehen Mond und Sonne auf einer geraden Linie zur Erde, so addiert sich ihre Anziehungskraft. Die auflaufenden Wassermassen werden dadurch gewaltiger und man spricht von einer Springtide. Bei einer Springtide ist der Tidenhub größer, das Hochwasser läuft besonders hoch auf und das Niedrigwasser fällt dann besonders niedrig aus. Dies ist bei Neumond und Vollmond der Fall. Durch den Umlauf des Mondes kommt es ca. alle 14 Tage zu einer Springflut.

Durch die Trägheit der Wassermassen kommt es hier in der Nordsee erst ca. 3 Tage nach Voll- oder Neumond zu den veränderten Wasserständen.

 

 


Nipptide
Im Gegensatz zur Springtide gibt es die Nipptide. Diese entsteht dann, wenn die Sonne etwa im rechten Winkel zur Erde steht, also jeweils bei Halbmond.

Die Gezeiten erzeugenden Kräfte heben sich teilweise auf, ihre Anziehungskraft wirkt daher ausgleichend, der Tidenhub fällt dann kleiner aus. Das heißt, das Hochwasser läuft nicht so hoch auf, das Niedrigwasser fällt weniger niedrig aus. (Also für uns Wattwanderer ein ungünstiger Zeitraum)

 

 

Der Tidenhub
Auf dem offenem Meer sind die die Flutberge kaum zu erkennen, sie sind nicht höher als etwa einen halben Meter und verteilen sich auf einer Distanz von mehreren tausend Kilometern. Der Tidenhub an der (kleinen und flachen ) Nordseeküste wird nur im geringem Maße von der Nordsee verursacht. Vielmehr entsteht er durch die hereinrollendn Wassermassen des Atlantiks. Die Hochwasserwelle kommt hier an der ostfriesischen Küste im Verlauf von West nach Ost an. Als Beispiel hat das zur Folge, dass das Hochwasser vor Cuxhaven fast 1,5 Stunden später eintrifft als vor Norderney.
In der Ostsee kann diese Flutwelle bedingt durch die Enge des Kattegatts nur schwer eindringen, so dass der Tidenhub dort wesentlich geringer ausfällt, im Schnitt unter 30 cm.

 

 

Tidenhub der Weltmeere
Auch hat der Verlauf der Küste auf den Tidenhub einen beträchtlichen Einfluss. Im Schnitt liegt der Tidenhub hier bei 2,80 Meter (Sylt 1,80 Meter, Borkum 2,40 Meter, Wangerooge 2,80 Meter, Jadebusen 3,60 Meter). Im oberem Bereich der Flüsse, z.B. der Elbe und Weser, kann der Tidenhub aufgrund der Trichterwirkung der Flüsse bis über 4,00 Meter betragen. Noch höher ist der Tidenhub beispielsweise in St. Malo in Frankreich oder in der Severn Mündung und in Bristol- Channel zwischen Wales und England, dort kann er über 8,00 Meter betragen.

Besonders hohe Tidenhübe gibt es an der Ostküste Nordamerikas. Der wahrscheinlich größte Tidenhub der Welt findet man in der Bay of Fundy (Kanada). Dort wird das Wasser des Atlantischen Ozeans in eine Meerenge gedrückt, so dass der Tidenhub bis zu 15 Meter erreicht, bei Springflut sogar bis 21 Meter!
 
Einflüsse auf den Wasserstand
Der Tidenhub kann durch das Wetter sehr stark beeinflusst werden. Bei ablandigen Winden (starker Ostwind) liegt das Watt länger als normal trocken. Das Hochwasser kann bis zu 1,5 Meter unter dem mittleren Tidehochwasser bleiben. Ein starker Nordwestwind aber, dazu noch eine Springtide, kann zu einer verheerenden Sturmflut führen. Aber auch Faktoren wie Luftdruckveränderungen beeinflussen den Tidenhub.
 
Hinweis für Wattwanderer
Gewaltige Wassermassen strömen bei ablaufendem Wasser aus dem Wattenmeer in die offene See (bei auflaufendem Wasser ins Wattenmeer). In den Prielen herrscht dann eine starke Strömung, diese kann bis zu 4 Knoten (7,5 km/h) betragen! Auch der beste Schwimmer hat keine Chance, dagegen an zu schwimmen. Daher sollten tiefe Priele niemals durchquert werden.

Bitte beachten Sie zu Ihrer Sicherheit die goldenen Regeln für Wattwanderer.

Wattwandern Baltrum
Boje bei Niedrigwasser im Wattenmeer
Wattwandern
Die Strömung ist gut zu erkennen
Wattwandern Johann
Niedrigwasser im Spiekerooger Hafen
Wattwandern Baltrum
Ein Plattbodenschiff bei Niedrigwasser