Die Sandklaffmuschel (Mya arenaria)
Die Sandklaffmuschel ist die größte Muschel hier im Wattenmeer. Sie erreicht eine durchschnittliche Schalenlänge von 8- 10 cm. Vereinzelt können sie sogar bis 15 cm groß werden und dann ein
Gewicht von 250 g haben. Ausgewachsen sind sie so groß, dass sie sich nicht mehr vollständig in ihr Schalengehäuse zurückziehen können. Deshalb sind ihre Schalenhälften so geformt, dass sie nicht
mehr allseitig schließbar sind, ihre Schale "klafft" auseinander. Daher auch ihr Name Sandklaffmuschel. Ihre Farbe ist weiß, aber durch das Eisensulfid im Wattboden können sie auch tiefschwarz
gefärbt sein. An der Oberfläche gelangte Schalen sind oft durch das oxidierte Eisen bräunlich gefärbt. Sandklaffmuscheln können 15 Jahre alt werden.
Verbreitung:
Die Sandklaffmuschel finden wir von Norwegen bis Westfrankreich. In Amerika ist sie von Florida bis Labrador verbreitet. Sie wurde hier im 13 Jahrhundert von Wikingern eingeschleppt. Auf den
langen Reisen der Wikinger wurde die Sandklaffmuschel als Proviant, den man frisch halten konnte, mitgenommen. Vermutlich kippten die Wikinger, wieder zu Hause angekommen, die restlichen nicht
verzehrten Muscheln über Bord. Von dort konnten sie sich dann verbreiten. Eine andere Theorie besagt, dass sie sich über das Ballastwasser hier eingeschleppt wurden. Auf jedem Fall ist sie der
älteste Einwanderer im Wattenmeer. Hier in der Nordsee lebt sie meist in den Gezeitenzonen und erreicht im Wattenmeer ihr größtes Vorkommen. Neuerdings breitet sie sich auch im Pazifik, in Alaska
und Kanada aus, wohin sie mit Zuchtaustern verschleppt worden ist.
Lebensweise:
Im Wattenmeer bevorzugt sie etwas tiefer gelegene, lagebeständige Schlick- und Schlicksandflächen. An günstigen Standorten leben manchmal 50-150 von ihnen auf einem Quadratmeter. Die erwachsenen
Tiere leben vergraben, 15-30 cm tief im Boden, wo sie vor Frost und Fressfeinden geschützt sind. Nur junge Muscheln, die mit einem kräftigen Grabefuss ausgestattet sind, können sich noch bewegen
und beim eventuellen Freispülen sich auch wieder eingraben. Erwachsene Muscheln können aus eigener Kraft, weil ihr Grabefuss nicht weiter mitgewachsen ist, ihren Standort nicht mehr verlassen,
somit ist sie gezwungen, ihr ganzes Leben an demselben Ort zu verbringen. Am Prielrand findet man oft ganze Felder von freigespülten ausgewachsenen Sandklaffmuscheln, die noch aufrecht, also in
„Lebendstellung“ im Boden stecken. Barfüßige Wattwanderer sollten da ganz besonders vorsichtig sein, die Schalenränder sind sehr scharf !!
Ernährung / Atmung
Die Nahrung der Sandklaffmuschel besteht aus Plankton, aufgewirbelte Bodenpartikel, Kieselalgen und im Wasser schwebende Detriusteilchen.
Ihr Sipho, der von einer derben Haut überzogen ist, und bei einer erwachsenen Sandklaffmuscheln bis auf 50 cm (!) ausgestreckt werden kann, ist in zwei parallele Röhren aufgeteilt. Der
Durchmesser dieser Röhre kann 1-2 cm betragen! Mit der Einströmöffnung wird das Wasser mit der Nahrung und dem enthaltenden Sauerstoff angesogen. Zum Gasaustausch hat sie Kiemen, aber zusätzlich
ist auch noch der mit reichlich Blutgefäßen versehene Mantel zum Gasaustausch fähig. Ihr Sauerstoffverbrauch ist sehr gering, im Verhältnis zur Herzmuschel verbraucht sie nur 10%. Mit dem
Atemwasser gelangt gleichzeitig die Nahrung in die Mantelhöhle zur weiteren Sortierung an die Kiemen. Die Nahrung gelangt dann über spezielle Wimpernstraßen in den Darmtrakt wo sich die Verdauung
in der Mitteldarmdrüse vollzieht. Stoffe, die sie nicht verwerten kann, werden eingeschleimt und mit durch den Ausströmkanal ausgeschieden. Auch Kot wird über den Ausströmkanal
ausgeschieden.
Durch Einziehen und Ausfahren ihres Sipho, kann die Sandklaffmuschel Niveauveränderungen des Wattbodens in kleinen Grenzen ausgleichen.
Fortpflanzung:
Sandklaffmuscheln sind getrennt geschlechtlich und erst nach einigen Jahren geschlechtsreif. Die Männchen geben ihre Samenzellen (noch auf ein unbekanntes Signal) in enormen Mengen im Mai/Juni
ins freie Wasser ab. Die Spermien werden von den Weibchen mit dem Atemwasser eingesogen und die Eier werden befruchtet. Ein Weibchen produziert in einem Jahr bis zu 3 Millionen Eier, eine enorme
Menge! Die Larven schwimmen dann etwa 2 Wochen frei im Wasser. Wenn sie eine Größe von ca.240-300µ erreicht haben, setzen sie sich im oberen Sediment fest. Nun erfolgt die Umwandlung in eine
bodenlebende Muschel. Mit Hilfe, der nur bei jungen Muscheln aktiven Byssusorgans, verankern sie sich auf dem Boden. Bald danach graben sie sich einige Zentimeter tief ein. Noch bis zum Alter von
4 Jahren ist ihr Grabefuss kräftig genug, um sich in die richtige Position zu bringen und sich dann einzugraben.
Fressfeinde
In jungen Jahren hat die Sandklaffmuschel viele Feinde. Von der Strandkrabbe und vom Seestern wird sie gern gefressen. Aber auch bei den Fischen und den Vögeln steht sie auf dem Speiseplan.
Wattvögel stochern sie aus dem Boden, Möwen spülen sie mit ihrer Technik “Trampelkuhlen“ frei. Etwas größere Muscheln werden von den Möwen in die Luft befördert, und von manchmal 10 Metern Höhe
auf hartem Boden fallen gelassen. Dieses Vorgehen knackt die Schale und das begehrte Muschelfleisch liegt frei. Erwachsene Sandklaffmuscheln leben so tief in dem Boden, dass sie praktisch keine
natürlichen Feinde mehr haben. Das einzigste, was sie dann zum Verhängnis werden kann, ist eine Überschlickung oder das Freispülen ihres Lebensraumes. Gegen beides hat sie keine Chance und führt
jeweils zum Absterben.
Wissenswertes / Besonderheiten